Viele Kreditnehmer gehen irrtümlich davon aus, dass sie in jedem Fall warten müssen, bis die Sollzinsbindung abgelaufen ist, um einen Kreditvertrag zu kündigen. Doch der Gesetzgeber räumt Kreditnehmern mit dem § 489 Abs. 1 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein ordentliches Kündigungsrecht ein, das Sie nutzen können, sobald 10 Jahre nach vollständiger Auszahlung des Darlehens vergangen sind. Bei der Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts ist eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zu beachten.
Haben Sie einen Vertrag ohne Sollzinsbindung abgeschlossen, können Sie jederzeit mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten Ihren Vertrag kündigen. Ist die Sollzinsbindung bereits abgelaufen, besteht die Möglichkeit innerhalb eines Monats den Immobilienkredit zu kündigen. In all diesen Szenarien kann und wird das Kreditinstitut von Ihnen keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
Wir verwenden ein vereinfachtes Beispiel, bei welchem unter anderem auf eine Abzinsung auf den Berechnungsstichtag verzichtet und von einem im Vergleich zum Annuitätendarlehen eher seltenen, endfälligen – während der Laufzeit tilgungsfreiem – Darlehen ausgegangen.
Das Darlehen von 100.000,00 Euro hat eine Zinsbindung von 5 Jahren, einen Zinssatz von 5 % p.a. und soll nach 4 Jahren vorzeitig zurückbezahlt werden.
Die Bank hätte in dem verbleibenden Jahr noch 5.000,00 Euro Zinsen erhalten.
Schaden nach Aktiv-Passiv-Methode: Kann die Bank das vorzeitig zurückgezahlte Kapital von 100.000,00 Euro mit 2,5 % „passiv“ wiederanlegen, hat sie einen Schaden von 2.500,00 Euro. Hiervon muss sie sich ersparte Risikovorsorge- und Verwaltungskosten abziehen lassen. Nimmt man diese mit insgesamt 0,25 % bzw. pauschal 250,00 Euro an, bleiben 2.250,00 Euro. Das ist der Schaden nach der Aktiv-Passiv-Methode.
Schaden nach Aktiv-Aktiv-Methode: Würde die Bank stattdessen „aktiv“ einen Kredit an einen neuen Kunden mit einem Zinssatz von 3,25 % vergeben, läge ihr Zinsverschlechterungsschaden bei 1.750,00 Euro. Die Risiko- und Verwaltungskosten sind hier bereits „eingepreist“. Ihre kalkulierte Marge darf die Bank aber behalten. Nimmt man diese mit 0,5 % bzw. pauschal 500,00 Euro an, bleiben 2.250,00 Euro. Der Schaden nach der Aktiv-Aktiv-Methode wäre also gleich hoch.
Fazit: Fällt der Zinssatz bei der Aktiv-Passiv-Methode jedoch negativ aus, z.B. -0,5 %, beläuft sich der Schaden der Bank auf 5.250,00 Euro und liegt damit höher, als die eigentlich noch zu zahlenden Zinsen (die Bank muss sich –500,00 Euro „anrechnen“ lassen und kommt so auf 5.500,00 Euro, von denen 250,00 Euro ersparte Risiko- und Verwaltungskosten abgezogen werden).
Hätte die Bank hingegen einen neuen Kredit mit einem Zinssatz von 1 % vergeben, läge ihr Schaden nur bei 4.500,00 Euro (4.000,00 Euro Zinsdifferenzschaden + 500,00 Euro Margenschaden). Allein der Wechsel der Rechenweise erhöht hier also den Schadensbetrag um 750,00 Euro. Die Werte driften in der Regel umso mehr auseinander, je früher die Rückzahlung erfolgt und je größer die Differenz zwischen angenommenem Passiv- und Aktivzins ist.
Unser Online-Rechner zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung teilt Ihnen in wenigen Sekunden mit, welche Vorfälligkeitsentschädigung Sie voraussichtlich an die Bank zu entrichten haben. Für eine erste Berechnung sind lediglich wenige Informationen notwendig. Um ein präzises Ergebnis zu erzielen, sollten Sie auch die Daten zum ggf. vereinbarten Tilgungsanpassungsrecht der Sondertilgungsoption in den Rechner eingeben. Unser Rechner verwendet die Aktiv-Passiv-Methode, da diese in der Regel auch von Banken zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung verwendet wird.
Bevor Sie einen Kreditvertrag vorzeitig zurückzahlen, sollten Sie sich mit der Bank über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung unterhalten. Als Darlehensnehmer steht Ihnen gegen die Bank ein gesetzlicher Auskunftsanspruch zu. Das bedeutet, dass die Bank Ihnen auf Ihre Anfrage hin kostenfrei mitzuteilen hat, wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung zu einem bestimmten Stichtag ausfallen würde, wenn Sie sich für eine vorzeitige Rückzahlung entscheiden sollten.
Hat die Bank Ihnen die Höhe der anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung mitgeteilt, empfehlen wir Ihnen, unseren Online-Rechner zu benutzen, um die Berechnung der Bank zu überprüfen. Denn der Bundesverband der Verbraucherzentrale hat die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigungen zahlreicher Kreditinstitute geprüft und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass in 40 % der Fälle der Betrag zu hoch angesetzt wurde. Die Verbraucherzentrale Hamburg erklärte, dass Kreditnehmer in einigen Fällen mehrere tausend Euro zu viel an ihre Bank entrichtet haben.
Die Diskrepanz zwischen den errechneten Beträgen entsteht häufig dadurch, dass bestimmte Faktoren, die zu einer Reduzierung der Vorfälligkeitsentschädigung führen, durch die Banken nicht berücksichtigt werden – beispielsweise die vereinbarte Sondertilgungsoption oder das Tilgungsanpassungsrecht.
Wenn das Ergebnis der Bank klar von unserem Ergebnis abweicht, sollten Sie Ihren Vertrag von uns auf Fehler prüfen lassen. Falls wir Fehler finden, haben Sie gegeben falls die Möglichkeit Ihren Vertrag zu widerrufen und die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuholen.
Sie brauchen auch keine Angst vor einem Vorgehen gegen Ihre Bank zu haben. Hat die Bank Sie nicht korrekt über Ihre Widerrufsrechte aufgeklärt oder sind ihr Fehler unterlaufen, ist es Ihr gutes Recht, Ansprüche rechtlich durchzusetzen. Sie werden in keiner bankenübergreifenden Datei mit allen Kläger:innen gegen Banken aufgeführt werden. Sie brauchen sich demzufolge keine Sorge darüberzumachen, zukünftig nirgends mehr einen Kredit zu erhalten. Die Bank als Institution wird nach wie vor ein Interesse daran haben, Sie als Kund:in zu gewinnen und zu binden.
