Bis zum 31. Dezember 2000 hatten Arbeitnehmer, die berufsunfähig wurden und gar nicht mehr arbeiten konnten, ein Recht auf gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente – kurz EU-Rente. Menschen, die noch maximal die Hälfte ihrer eigentlichen Arbeitszeit leisten konnten, stand eine Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) zu.
Die damalige rot-grüne Bundesregierung hat dieses zweigliedrige System zum 1. Januar 2001 abgeschafft und durch die Erwerbsminderungsrente ersetzt. Seit diesem Zeitpunkt wird der erlernte oder zuvor ausgeübte Beruf bei der Entscheidung, ob ein Anspruch auf gesetzliche Zahlungen besteht, nicht mehr berücksichtigt.
Statistisch wird jeder vierte Mensch im Laufe seines Arbeitslebens wenigstens einmal zumindest vorübergehend berufsunfähig. Es kann Angehörige aller Berufsgruppen treffen. Eine BU-Versicherung ist daher grundsätzlich für jeden sinnvoll, der aus der Berufsunfähigkeit entstehende finanzielle Defizite nicht durch eigenes Vermögen auffangen könnte, der also auf das regelmäßige monatliche Einkommen angewiesen ist und hierauf nicht verzichten könnte.
Insbesondere für Freiberufler und Selbstständige ist eine BU-Versicherung absolut notwendig: Sie zahlen in der Regel nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein und bekommen daher im Fall der Fälle überhaupt kein Geld – nicht einmal die geringe Erwerbsminderungsrente. Gleiches gilt auch für Berufseinsteiger, die noch keine fünf Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben.
Personen, die in einem risikoreichen Beruf tätig sind, sollten ebenfalls unter keinen Umständen auf den privaten Versicherungsschutz der BU verzichten.
Die BU-Versicherung bietet in der Regel einen deutlich umfassenderen Schutz gegenüber anderen gesetzlichen und privaten Absicherungsmodellen. Wer beispielsweise glaubt, die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung würde im Falle einer Berufsunfähigkeit ausreichend vor dem finanziellen Ruin schützen, irrt: Die Rentenbeiträge, die Betroffenen gesetzlich zustehen, sind oft viel zu niedrig, um den gewohnten Lebensstandard halten zu können. In der Regel beträgt die Höhe der Erwerbsminderungsrente nicht mal ein Drittel des vorherigen Bruttogehalts. Sie kann die Lohneinbußen damit keineswegs ausgleichen.
Hinzu kommt, dass die geringe Rente nur dann vollständig ausgezahlt wird, wenn täglich weniger als drei Arbeitsstunden geleistet werden können. Wer drei bis sechs Stunden arbeiten kann, erhält eine sogenannte Teilerwerbsminderungsrente. Deren Höhe beträgt 50 % der regulären Erwerbsminderungsrente. Können wiederum mehr als sechs Stunden täglich geleistet werden, bekommen Betroffene auch dann nichts, wenn sie ihr Arbeitsvolumen dennoch im Vergleich zu vorher reduzieren müssen. Die 50-Prozent-Regel der privaten BU-Versicherung greift bei dem gesetzlichen Berechnungsmodell also nicht.
Zudem ist die Auszahlung der Erwerbsminderungsrente an strenge Voraussetzungen geknüpft. Während die BU-Versicherung berücksichtigt, ob eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf noch möglich ist, besteht für die gesetzliche Rentenversicherung der Anspruch, dass überhaupt keine Arbeit mehr geleistet werden kann. Dieses Beispiel veranschaulicht das Problem: Ein Geschäftsführer leitet ein Unternehmen mit hunderten Angestellten. Er erkrankt und kann die Tätigkeit in seiner bisherigen Position nicht mehr ausüben. Sein gesundheitlicher Zustand erlaubt jedoch eine leichte Arbeit, beispielsweise als Pförtner. Damit steht ihm im Ergebnis keine Erwerbsminderungsrente zu. Die gesetzliche Rentenversicherung lässt also – im Gegensatz zur BU-Versicherung – die eigentliche Qualifikation vollständig außer Acht und zwingt Betroffene ohne private Absicherung letztlich dazu, Berufe auszuüben, die sie weder finanziell absichern, noch ihrer beruflichen Ausbildung entsprechen.
Gleichermaßen haben auch alternative private Absicherungen Lücken bezügliches des Schutzes im Falle einer Berufsunfähigkeit. Eine Unfallversicherung etwa springt nur dann ein, wenn tatsächlich ein Unfall geschehen ist und die geistige oder körperliche Einschränkung ausschließlich auf diesen zurückzuführen ist. Vorerkrankungen können hier schnell zum Fallstrick werden. Nicht zuletzt wird bei der privaten Unfallversicherung außerdem die Voraussetzung der Dauerhaftigkeit zum Nachteil der Versicherungsnehmer definiert: Nur wenn die Beeinträchtigung aller Voraussicht nach länger als drei Jahre anhalten wird, haben sie einen Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung. Zur Erinnerung: Das Kriterium der Dauerhaftigkeit ist bei den meisten BU-Versicherungen bereits dann erfüllt, wenn keine Besserung des Gesundheitszustands innerhalb von 6 Monaten zu erwarten ist.
Die BU-Versicherung gehört zu den wichtigsten Versicherungen. Da sie einen besonders umfassenden Schutz bietet, ist sie jedoch auch nicht ganz billig. Die monatlichen Beiträge werden für jeden Versicherungsnehmer individuell ermittelt, liegen im Normalfall jedoch im zweistelligen, seltener im dreistelligen Bereich. Zugrunde liegt bei der Kostenberechnung folgende Faktoren:
- Vertraglich vereinbarter Leistungsumfang
- Laufzeit: Bis zu welchem Alter möchte man versichert bleiben?
- Höhe der monatlichen Rente
- Karenzzeit
- Alter, Gesundheitszustand und Berufsgruppe des Versicherungsnehmers.
Da jüngere Menschen statistisch gesünder und fitter sind, müssen sie in der Regel geringere Beiträge zahlen als beispielsweise Personen über 40 Jahren. Nicht zuletzt gehen die Versicherer selbstverständlich auch davon aus, dass die niedrigeren Beiträge über einen längeren Zeitraum gezahlt werden. Allgemein gilt dennoch: Je früher der Eintritt in die BU-Versicherung erfolgt, desto besser! Für den Vertragsabschluss ist im Übrigen nicht entscheidend, dass der Versicherungsnehmer bereits ins Arbeitsleben eingetreten ist. Auch Studenten oder sogar Schüler können schon für ihre angestrebte berufliche Zukunft vorsorgen.
Weil die Beitragshöhe immer auch von dem Risiko, welchem der Versicherte in seinem Beruf ausgesetzt ist, abhängig ist, teilen die Versicherer die unterschiedlichen Berufsgruppen regelmäßig in Kategorien ein. Jemand, der beruflich Bomben entschärft oder im Bergbau tätig ist, muss monatlich mehr bezahlen als ein Bürokaufmann. Das liegt daran, dass die Wahrscheinlichkeit für den tatsächlichen Eintritt des Versicherungsfalls bei manchen Tätigkeiten größer ist als bei anderen. Doch trotz der höheren Versicherungsbeiträge sollten gerade die Personen, die in einem „Risikoberuf“ arbeiten, unbedingt frühzeitig eine BU-Versicherung abschließen und sich für den Ernstfall schützen.
Bevor der Vertrag mit der BU-Versicherung unterzeichnet wird, sollten einige Aspekte durchdacht und der Vertrag gegebenenfalls noch einmal angepasst werden. Dazu gehören:
Flexibilität des Vertrags
Je jünger der Versicherte bei dem Abschluss der Versicherung ist, desto niedriger sind seine Beiträge. Eine solche Entscheidung schon in sehr jungen Jahren zu treffen, birgt jedoch auch Risiken – nämlich die, dass sich der berufliche Werdegang verändert, der Vertrag nicht mehr passt und dies erst nach dem Eintritt der Berufsunfähigkeit bemerkt wird. Für junge Versicherungsnehmer gilt also bei Vertragsschluss: Die Vereinbarung muss flexibel sein und unterschiedliche Richtungswechsel dulden.
Ehrlichkeit
Es lassen sich Beitragskosten einsparen, wenn man bestimmte Dinge beim Ausfüllen der Formulare verschweigt. Ein solches Verhalten kann jedoch schnell zum Fallstrick werden: Wurde zum Beispiel eine bestimmte Vorerkrankung nicht angegeben, kann sich der Versicherer rechtskräftig gegen die Zahlungen wehren. Es ist daher absolut essentiell und wichtig, vollständige, umfassende und wahrheitsgemäße Angaben zu machen – selbst wenn dies zu höheren Versicherungsbeiträgen führt. Nur dann ist man im Falle einer Berufsunfähigkeit auch wirklich geschützt.
Leistungsumfang
Auch hinsichtlich des Leistungsumfangs sollten Versicherungsnehmer realistisch sein. Wie viel Geld braucht man im Fall der Fälle? Wie lang ist der Zeitraum bis zur Rente, den man tatsächlich würde überbrücken können? Im Zweifel sollte zum einen eine dem regulären Einkommen angepasste Rente vereinbart werden und zum anderen eine Laufzeit bis zum erwarteten Renteneintritt.
Karenzzeit
Wer mit dem Versicherer eine sogenannte Karenzzeit vereinbart, bekommt im Falle einer Berufsunfähigkeit erst nach einer festgelegten Wartezeit Geld. Diese Wartezeit kann sechs Monate betragen, oder auch zwei Jahre. Die regulären monatlichen Versicherungsbeiträge fallen immer geringer aus, wenn eine solche Karenzzeit vertraglich vorgesehen ist. Jedoch sollten Personen, die über keinerlei finanzielle Rücklagen verfügen, keine vorschnelle Entscheidung treffen. Es ist wichtig, in Ruhe zu überlegen, ob man die jeweilige Wartezeit tatsächlich überbrücken könnte oder sie den finanziellen Ruin bedeuten würde. Im Zweifelsfall sollte man sich bei Vertragsschluss gegen diese Regelung entscheiden und einige Euro mehr in den Versicherungsschutz investieren.
Dienstunfähigkeit
Beamte müssen sich grundsätzlich weniger Sorgen machen als beispielsweise Arbeitnehmer oder Selbstständige. Können sie nicht mehr arbeiten, werden sie von ihrem Arbeitgeber als „dienstunfähig“ eingestuft und erhalten ein Ruhegehalt. Dieses ermöglicht in der Regel die Haltung des bisherigen Lebensstils. Jedoch ist die Zahlung des Ruhegehalts an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Der Beamte muss auf Lebenszeit verbeamtet sein und bereits auf eine fünfjährige Dienstzeit zurückblicken können. Gerade junge Beamte, Beamte auf Probe oder Beamtenanwärter sind damit nicht umfassend abgesichert. Für sie kann eine private BU-Versicherung also sinnvoll sein.
Zu beachten ist dabei unbedingt: Der Vertrag muss eine Dienstunfähigkeitsklausel beinhalten! Es ist nämlich möglich, vom Dienstherrn als dienstunfähig eingestuft zu werden, ohne berufsunfähig im Sinne der Versicherung zu sein. Die Dienstunfähigkeitsklausel macht aus der klassischen BU-Versicherung eine Dienstunfähigkeitsversicherung, indem sie regelt, dass der Versicherer in diesem speziellen Fall trotzdem zahlt. So ersparen sich privatversicherte Beamten späteren Ärger.
Ihre BU-Versicherung verweigert Zahlungen und beruft sich dabei auf Klauseln in Ihrem Versicherungsvertrag? Wir helfen Ihnen! Füllen Sie dazu einfach unser Online-Formular zu kostenfreien Erstberatung aus. Unsere erfahrenen Anwälte wissen, was nun zu tun ist, und setzen Ihr Recht gegenüber dem Versicherer durch – notfalls auch vor Gericht.
Von einer Kündigung des Versicherungsvertrages ist in den allermeisten Fällen abzuraten. Der Schutz, den die BU-Versicherung bietet, ist essentiell wichtig. Wer einen finanziellen Engpass überbrücken muss und aus diesem Grund die monatlichen Zahlungen einsparen möchte, sollte sorgfältig abwägen, ob sich die regelmäßigen Kosten und Ausgaben nicht auch an anderer Stelle reduzieren lassen können. Gelegentlich lässt sich eine zwischenzeitliche Beitragsbefreiung oder ein vorübergehendes Aussetzen der Zahlungen aushandeln. So können Versicherungsnehmer anschließend wieder in den regulären Vertrag einsteigen oder die Beiträge nachträglich überweisen.
Das Hauptproblem ist im Zusammenhang mit einer Kündigung, dass später in der Regel kein vergleichbar guter Vertrag mehr geschlossen werden kann. Wer nach einer Kündigung einen neuen Versicherer sucht, ist bereits älter als bei Vertragsschluss mit der früheren BU-Versicherung. Entsprechend werden die Beitragskosten mit großer Wahrscheinlichkeit erheblich höher ausfallen. Im schlimmsten Fall wird man aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen gar nicht erst angenommen.
Ein Wechsel sollte ausschließlich dann in Betracht gezogen werden, wenn die neue Versicherung nicht viel mehr kostet, dafür aber entscheidend bessere Leistungen bietet. Vor der Kündigung sollte eine zuverlässige Zusage des zukünftigen Versicherers vorliegen. Darüber hinaus muss die jeweilige im Vertrag vereinbarte Kündigungsfrist beachtet werden. Ein außerordentliches Kündigungsrecht besteht lediglich dann, wenn das Unternehmen seine Versicherungsbedingungen ändert. Ob der Versicherungsnehmer anschließend die bereits gezahlten Beiträge zurückerhält, hängt ebenfalls vom Vertrag ab.
Hausfrauen und -männern empfiehlt es sich, den Abschluss der BU-Versicherung zunächst zu überdenken, denn für sie lohnt sich der Versicherungsschutz nicht immer: Sie zahlen bei den meisten Versicherern sehr hohe monatliche Beiträge, die Rentenhöhe im Falle einer dauerhaften körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung fällt jedoch verhältnismäßig gering aus. Wer allerdings mit vergleichsweise hoher Wahrscheinlichkeit eines Tages doch wieder in das Arbeitsleben einsteigen möchte, sollte die BU-Versicherung besser früher als später abschließen, da mit höherem Alter auch die Beiträge enorm ansteigen.
Des Weiteren macht eine BU-Versicherung für Minijobber und Arbeitslose nicht immer Sinn. Auch sie sollten sorgfältig abwägen, ob der zusätzliche monatliche finanzielle Aufwand sich letzten Endes lohnt.