Im Sommer 2011 bewarb sich die Berlinerin auf eine ausgeschriebene Stelle in einer Zahnarztpraxis als Zahnarzthelferin. Daraufhin wurde die junge Frau, die gerade ihr Abitur absolviert hat, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das Vorstellungsgespräch lief nach eigenen Angaben sehr gut. Auch der einstellende Zahnarzt war von der Bewerberin und ihren Qualifikationen überzeugt. Jedoch hatte der Zahnarzt eine Sache an ihr auszusetzen – ihr Kopftuch. Auf die Forderung, man könnte das Kopftuch auf der Arbeit doch einfach ablegen, antworte die Bewerberin, dass sie das nicht tun würde. Jedoch ließ der Zahnarzt nicht locker. Im weiteren Verlauf des Bewerbungsverfahrens wurde der jungen Frau via E-Mail schließlich der Ausbildungsplatz angeboten, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie ihr Kopftuch auf der Arbeit ablegt. Aufgrund dieser offen gelegten religiösen Diskriminierung bat sie eine Anwältin um Hilfe. Die Angelegenheit ging vor Gericht.
Das Berliner Arbeitsgericht gab der Klägerin in einem Urteil im März 2012 recht. Der Beklagte wurde verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin eine Entschädigung von 1.470 Euro zu zahlen. Der Grund: Konkret konnte die religiöse Diskriminierung an der E-Mail festgemacht werden, in der es heißt, man würde die Bewerberin nur einstellen, wenn sie ihr Kopftuch ablegt. Auch die Stellungnahme des Beklagten, seine Angestellten müssten einheitliche Kleidung tragen, sah das Gericht nicht als Grund an. Denn das Kopftuch könnte man problemlos mit einheitlicher weißer Kleidung kombinieren. Zudem stellt das Kopftuch keine erhöhte Gesundheitsgefahr am Arbeitsplatz dar. Schließlich überträgt ein Kopftuch nicht im verstärkten Maße Schmutz oder Erreger, zumindest nicht mehr als das eigene Haupthaar. Demnach lag kein ausreichender Grund vor, der jungen Muslima das Kopftuch zu verbieten. Der Leitsatz des Urteils bringt die vorgefallene religiöse Diskriminierung auf den Punkt.
Beten am Arbeitsplatz betrifft vor allem Menschen, die aufgrund ihres Glaubens öfter zum Beten angehalten werden. Das ist beispielsweise bei Menschen islamischen Glaubens der Fall. Sehr religiöse Moslems beten bis zu fünfmal am Tag. Dieses Ritual gehört zu einer der wichtigsten religiösen Pflichten von Muslimen. Jedoch kann es hier zu Konflikten kommen, wenn das Gebet und die Arbeit miteinander kollidieren. Jedoch muss nicht jeder Konflikt zum Rechtsstreit führen. Obwohl laut Schätzungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) circa 4,4 Millionen Muslime in Deutschland leben, gibt es dementsprechend wenige Fälle vor Gericht, die sich mit dem Thema "Beten am Arbeitsplatz" auseinandersetzen. Das setzt voraus, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber oftmals eine Lösung finden, um Arbeitszeit und Gebetszeit miteinander zu verknüpfen. Häufig wird dann in den Arbeitspausen gebetet, oder anstatt der Kaffee- oder Raucherpause werden sich fünf Minuten für das Gebet genommen. Diesbezüglich ist jedoch nicht jeder Arbeitgeber so loyal. Und laut Gerichtsentscheidungen hat der Arbeitgeber auch nur zu einem bestimmten Punkt loyal zu sein. Das Paradebeispiel hierfür ging im Jahre 2002 vor das Landesarbeitsgericht Hamm.
Der Fall: In vorliegenden Fall ging es um einen Arbeitnehmer muslimischen Glaubens (hier Kläger), der von seinem Arbeitgeber abgemahnt wurde. Der Grund: Während der Arbeitszeit zog er sich wiederholt für ein paar Minuten zum Beten zurück. Dies begründete er damit, dass das Beten zu seinen religiösen Pflichten gehört. Laut eigenen Angaben machte er diese kurzen Gebetspausen schon seit sechs Jahren. Der Kläger gab an, dass im Winter seine Gebetszeiten, aufgrund des Sonnenstands, in seine Arbeitszeit fallen. Der Arbeitgeber gewährte diese "Extra-Pausen" jedoch nicht. Der Kläger wollte durch einstweilige Verfügung eine dreiminütige Pause erstreiten. Der Fall ging bis zur Berufung vor das Landesarbeitsgericht in Hamm.
Die Entscheidung: Das Gericht entschied sich dafür, die Berufung abzuweisen. Der Hauptgrund war, dass laut der islamischen Glaubenslehre auch Gebete nachgeholt werden können. Der Kläger wurde also dazu aufgefordert, seine Gebete in den offiziellen Pausen nachzuholen. Das Grundgesetz, in dem ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird, greift laut Entscheidung des Gerichts nicht. Hier heißt es im Leitsatz des Urteils:
Fragen zur Religion und persönlicher Weltanschauung müssen grundsätzlich nicht beantwortet werden. Diese Tatsache ist besonders für Personen wichtig, die sich in Bewerbungsphasen befinden. Nun lässt sich aber ein Kopftuch oder eine Kippa (jüdische Kopfbedeckung) schlecht verstecken. Aber auch hier sollte gelten, dass man mit offenen Karten spielt. Wenn es um Fragen zur Religion geht, könnte der Bewerber nachfragen, warum für den Vorgesetzten diese Fragen so wichtig sei. Erst dann kann man erfahren, welche Intention tatsächlich dahintersteckt. Wenn man zum Beispiel sein Kopftuch auf Nachfrage des Vorgesetzten nicht abnehmen will, sollte das kommuniziert werden. Es spricht auch nichts dagegen, nachzufragen, ob es in den Pausen Gebetsmöglichkeiten gibt. Wenn man dann jedoch ohne nachvollziehbaren Grund Diskriminierung erfährt, liegt es beim Betroffenen, dagegen anzugehen. Vorsicht Ausnahme: Religionsgebundene Unternehmen dürfen Fragen bezüglich der Religion stellen. Dazu gehören zum Beispiel christliche Krankenhäuser oder auch christliche Kindergärten. In diesen Fällen muss der Bewerber auch wahrheitsgetreu antworten.
Wer seine Religion offen nach außen trägt, bietet leider auch eine größere Angriffsfläche für Meinungen. Wenn diese Meinungen und Taten jedoch diskriminierend sind, muss sich der oder die Betroffene das nicht gefallen lassen. Wenn Sie religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz erfahren, sollten Sie sich direkt an den Arbeitgeber wenden. Dieser hat die Möglichkeit und auch die Pflicht, den Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Manchmal reicht schon eine ernste Zurechtweisung vom Vorgesetzten, um die Diskriminierung zu stoppen. Wenn das nicht hilft, kann der Vorgesetzte immer noch eine Ermahnung oder sogar eine Abmahnung erteilen. Im letzten Schritt kann der Verantwortliche dann auch gekündigt werden, wenn die religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht aufhört. Wenn der Arbeitgeber aber nichts tun möchte, oder im schlimmsten Fall sogar selbst der „Täter“ ist, gibt es mehrere Möglichkeiten. Laut § 14 AGG darf man seine Tätigkeit sogar einstellen, wenn der Arbeitgeber nicht eingreift. Bei dieser Vorgehensweise sollte man jedoch sehr vorsichtig sein. Wenn das Opfer beispielsweise keine eindeutigen Beweise bezüglich der religiösen Diskriminierung vorbringen kann, kann das sogar arbeitsrechtliche Konsequenzen für das Opfer mit sich ziehen. Wir raten Ihnen, einen erfahrenden Anwalt in Arbeitsrecht einzuschalten. Dann kann im ersten Schritt geprüft werden, ob tatsächlich eine religiöse Diskriminierung vorliegt. Ist dies der Fall, stehen die Chancen sehr gut, um auf dem Klageweg Schadensersatzforderungen vom Arbeitgeber einzufordern.