Kündigung wegen sexueller Belästigung: Der Fall aus der Praxis
In manchen Fällen, in denen es um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ging, wurde in der Vergangenheit eine Abmahnung für ausreichend gehalten. So zum Beispiel, als ein Arbeitnehmer heimlich die Kehrseiten seiner Kolleginnen fotografiert hatte (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3.11.2009, 3 Sa 357/09).
Dass sexuelle Belästigung jedoch auch zur fristlosen Kündigung führen kann, wurde unter anderem in einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 09.06.2011, Az. 2 AZR 323/10) bestätigt. Ein Einkäufer eines Möbelhauses verhielt sich gegenüber zwei Kolleginnen sehr respektlos. Zuerst beschwerte sich eine Mitarbeiterin bei ihrem Vorgesetzten darüber, dass der Mann ihr einen „Klaps auf den Po“ gegeben hatte. Der Einkäufer kassierte daraufhin eine Abmahnung. Dass er daraus nichts gelernt hatte, wurde deutlich, als er wenige Monate später in einer anderen Filiale eingesetzt wurde. Wieder belästigte er eine Mitarbeiterin sexuell – diesmal in Form von wiederholten anzüglichen Bemerkungen – und auch diese Kollegin beschwerte sich bei ihrem Vorgesetzten. Diesmal hatte sein Verhalten die fristlose Kündigung zur Folge. Der Einkäufer wollte diese nicht auf sich sitzen lassen und erhob Kündigungsschutzklage. Er habe seine Kollegin nur „necken“ wollen und deshalb sei allenfalls eine Abmahnung angemessen.
Die Entscheidung des Gerichts zur Kündigung wegen sexueller Belästigung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) teilte die Auffassung des Klägers nicht und erklärte die Kündigung für rechtmäßig. Mit seinen wiederholten Bemerkungen habe der Kläger die Würde der Mitarbeiterin verletzt, sie verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Er habe durch seine Anzüglichkeiten außerdem ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Bemerkungen seitens des Klägers rechnen musste. Davor müsse der Arbeitgeber seine Angestellten schützen – in dem Fall durch die fristlose Kündigung.
Wer seinen Kollegen hingegen Vergehen vorwirft und diese nicht beweisen kann, der bewegt sich auf dünnem Eis. Eine Sekretärin der Stadtkämmerei in Brandenburg hatte ihre Kollegen beschuldigt, Alkoholexzesse und sexuelle Handlungen während des Dienstes begangen zu haben. Beweise hatte sie dafür jedoch keine, weshalb ihr fristgemäß gekündigt wurde. Gegen ihre Kündigung klagte die Mitarbeiterin. Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 06.02.2017, Az. 19 Sa 322/13) urteilte, die Sekretärin habe ihre Kollegen zu Unrecht beschuldigt und dadurch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt. Die Anschuldigungen an ihre Kollegen seien zudem als Ehrverletzungen einzustufen. Wie immer sollte man also auch bei sexueller Belästigung vorsichtig sein mit unbewiesenen Vorwürfen.
Ein einvernehmlicher Flirt am Arbeitsplatz wird in der Regel nicht als sexuelle Belästigung gewertet und ist demzufolge auch nicht verboten. Wichtig ist dabei immer der Aspekt des Einverständnisses. Wenn eine der beteiligten Personen den Flirt nicht möchte, ist eine klare Grenze erreicht.
Da jeder Mensch anders auf sexuelle Belästigung reagiert und sie in sehr unterschiedlichen Formen vorkommt, gibt es keine allgemeingültigen Vorgehensweisen. Vielen Betroffenen fällt es schwer, über den Vorfall zu reden, vor allem dann, wenn der Beschuldigte in der Unternehmenshierarchie über dem Betroffenen steht und somit der Job potenziell in Gefahr ist. Sinnvoll kann es sein, einen Kollegen hinzuzuziehen. Dieser kann als Zeuge dienen und helfen, einzuschätzen, ob sich gegebenenfalls das direkte Gespräch mit dem Täter lohnt. In manchen Fällen stellt man dann vielleicht fest, dass andere änhliche Erfahrungen gesammelt haben.
Wer den Mut dazu hat, sollte den Fall seinem Vorgesetzten schildern. Denn der ist gesetzlich dazu verpflichtet, dem nachzugehen. § 12 des AGG gibt vor, dass jeder Arbeitgeber seinen Angestellten gegenüber Schutzplichten hat. Das bedeutet auch, dass er sexuelle Belästigung verhindern muss. Als Möglichkeiten, dies zu tun, nennt das Gesetz Aus- und Fortbildungen, bei denen auf die Unzulässigkeit sexueller Belästigung hingewiesen und darauf hingewirkt wird, dass sie unterbleibt. Kommt es doch zu einem Vorfall, sieht das Gesetz Maßnahmen wie Abmahnungen, Versetzungen oder Kündigung vor.
Zudem sind alle Arbeitgeber verpflichtet, eine Beschwerdestelle für betroffene Mitarbeiter einzurichten, die allen Beschäftigten bekannt gemacht wird. Gibt es keine solche Stelle, kann die Beschwerde der Personalabteilung oder dem Betriebsrat vorgetragen werden. Jeder Beschwerde muss nachgegangen werden und zudem muss der Arbeitgeber über jede Beschwerde informiert werden.
Wenn gegen Sie der Vorwurf der sexuellen Belästigung im Raum steht, sollten Sie sich um Klärung bemühen. Suchen Sie das Gespräch mit den Betroffenen, um Missverständnisse auszuräumen. Dabei sollten Zeugen anwesend sein, damit es nicht wieder zu verfänglichen Situationen kommen kann. Auch wenn Sie wegen einer sexuellen Belästigung abgemahnt wurden, sollten Sie sich um eine Entspannung des Arbeitsverhältnisses mit Ihren Kollegen bemühen. Wurde Ihnen wegen sexueller Belästigung gekündigt, so denken Sie an Ihr Arbeitszeugnis. Eine Entschuldigung bei den Beteiligten kann sich positiv auf Ihr Zeugnis und somit auch auf Ihre beruflichen Zukunftschancen auswirken.