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Kündigung wegen sexueller Belästigung

  • Sexuelle Belästigung von Kollegen ist keine Lappalie. Sie stellt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar und kann deshalb zur fristlosen Kündigung führen.
  • Diese Form der Benachteiligung am Arbeitsplatz ist weit verbreitet, jedoch ist die Definition, was als sexuelle Belästigung gewertet werden muss und was nicht, oftmals nicht eindeutig.
  • Der Arbeitgeber hat seinen Beschäftigten gegenüber eine Schutzpflicht und muss sie deshalb vor sexueller Belästigung schützen.
  • Lesen Sie im Folgenden, was es zum Thema sexuelle Belästigung zu beachten gibt.

Konflikte am Arbeitsplatz können eine echte Belastung sein. Besonders eine Kündigung bedeutet purer Stress. Wir erklären, warum es sich dabei lohnt, einen Anwalt zu konsultieren und so auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können.

Zahlen und Fakten zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Ein Tätscheln des Pos, hier und da verstreute anzügliche Bemerkungen: Das alles sind keine harmlosen Neckereien unter Kollegen. Derartiges muss als sexuelle Belästigung ernst genommen werden. Dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz weit verbreitet ist, geht aus einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 hervor. Ihr zufolge hat mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz schon einmal erlebt oder beobachtet. Die überwältigende Mehrheit derjenigen, die von sexueller Belästigung betroffen sind, ist dabei weiblich: Bei 700 Gerichtsurteilen und -beschlüssen in den Jahren von 1980 bis 2014, die sich mit sexuellen Übergriffen im Arbeitskontext beschäftigten, ging es mit Ausnahme von 25 Fällen um die sexuelle Belästigung von Frauen. Aber auch Männer haben mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu kämpfen. Im Gegensatz zu Frauen sind sie jedoch häufiger von leichteren und verbalen Formen betroffen.

Ein entscheidendes Problem dabei: Viele Arbeitnehmer kennen ihre Rechte nicht. 81 Prozent wissen beispielsweise nicht, dass Arbeitgeber sie aktiv vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützen müssen. Eine präsente Ansprechperson zu dem Thema in ihrem Betrieb ist 70 Prozent nicht bekannt. Es muss also noch einiges an Aufklärungsarbeit geleistet werden.

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Was ist als sexuelle Belästigung zu werten?

„Aber das war doch nur als Kompliment gemeint!“ – eine Formulierung, die im Zusammenhang mit sexueller Belästigung häufig zu hören ist. Oftmals kann der Unterschied zwischen einem Kompliment und einer anzüglichen Bemerkung schon im Tonfall liegen. Die Festlegung, was als sexuelle Belästigung gewertet werden muss und damit laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten ist, und was nicht, ist oft schwierig.

§ 3 Absatz 4 des AGG spricht von sexueller Belästigung, wenn:

„[…] ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“.

Es handelt sich dabei also um eine unerwünschte Verhaltensweise, die sexualisiert und geschlechtsbezogen ist. Eine sexuelle Belästigung nach dieser Definition geht außerdem mit einer Verletzung der Würde der betroffenen Person einher. Unterschieden werden kann zwischen verbaler, non-verbaler und physischer Belästigung. Einige Beispiele dazu sind in der folgenden Tabelle der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aufgeführt.

Art der sexuellen Belästigung

Beschreibung

Verbal

  • anzügliche Bemerkungen und Witze
  • aufdringliche und beleidigende Kommentare über die Kleidung, das Aussehen oder das Privatleben
  • sexuell zweideutige Kommentare
  • Fragen mit sexuellem Inhalt, z.B. zum Privatleben oder zur Intimsphäre
  • Aufforderungen zu intimen oder sexuellen Handlungen, z.B. „Setz dich auf meinen Schoß!“
  • sexualisierte oder unangemessene Einladungen zu einer Verabredung

Non-verbal

  • aufdringliches oder einschüchterndes Starren oder anzügliche Blicke
  • Hinterherpfeifen
  • unerwünschte E-Mails, SMS, Fotos oder Videos mit sexuellem Bezug
  • unangemessene und aufdringliche Annäherungsversuche in sozialen
    Netzwerken
  • Aufhängen oder Verbreiten pornografischen Materials
  • unsittliches Entblößen

Physisch

  • jede unerwünschte Berührung (Tätscheln, Streicheln, Kneifen, Umarmen, Küssen), auch wenn die Berührung scheinbar zufällig geschieht
  • wiederholte körperliche Annäherung, wiederholtes Herandrängeln, wiederholt die übliche körperliche Distanz (ca. eine Armlänge) nicht wahren
  • körperliche Gewalt sowie jede Form sexualisierter Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung

Von wem werden Frauen am Arbeitsplatz sexuell belästigt?

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in einer Statistik veröffentlicht, von wem Frauen am Arbeitsplatz sexuell belästigt werden. Dabei wird festgestellt, dass die meisten Belästigungen von Kollegen oder Kolleginnen auf gleicher Hierarchiestufe ausgehen, aber auch von Vorgesetzten und Kunden.

Kündigung wegen sexueller Belästigung

Häufige Fragen zum Thema Kündigung wegen sexueller Belästigung

Kündigung wegen sexueller Belästigung: Der Fall aus der Praxis

In manchen Fällen, in denen es um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ging, wurde in der Vergangenheit eine Abmahnung für ausreichend gehalten. So zum Beispiel, als ein Arbeitnehmer heimlich die Kehrseiten seiner Kolleginnen fotografiert hatte (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3.11.2009, 3 Sa 357/09).

Dass sexuelle Belästigung jedoch auch zur fristlosen Kündigung führen kann, wurde unter anderem in einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 09.06.2011, Az. 2 AZR 323/10) bestätigt. Ein Einkäufer eines Möbelhauses verhielt sich gegenüber zwei Kolleginnen sehr respektlos. Zuerst beschwerte sich eine Mitarbeiterin bei ihrem Vorgesetzten darüber, dass der Mann ihr einen „Klaps auf den Po“ gegeben hatte. Der Einkäufer kassierte daraufhin eine Abmahnung. Dass er daraus nichts gelernt hatte, wurde deutlich, als er wenige Monate später in einer anderen Filiale eingesetzt wurde. Wieder belästigte er eine Mitarbeiterin sexuell – diesmal in Form von wiederholten anzüglichen Bemerkungen – und auch diese Kollegin beschwerte sich bei ihrem Vorgesetzten. Diesmal hatte sein Verhalten die fristlose Kündigung zur Folge. Der Einkäufer wollte diese nicht auf sich sitzen lassen und erhob Kündigungsschutzklage. Er habe seine Kollegin nur „necken“ wollen und deshalb sei allenfalls eine Abmahnung angemessen.

Die Entscheidung des Gerichts zur Kündigung wegen sexueller Belästigung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) teilte die Auffassung des Klägers nicht und erklärte die Kündigung für rechtmäßig. Mit seinen wiederholten Bemerkungen habe der Kläger die Würde der Mitarbeiterin verletzt, sie verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Er habe durch seine Anzüglichkeiten außerdem ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Bemerkungen seitens des Klägers rechnen musste. Davor müsse der Arbeitgeber seine Angestellten schützen – in dem Fall durch die fristlose Kündigung.

Wer seinen Kollegen hingegen Vergehen vorwirft und diese nicht beweisen kann, der bewegt sich auf dünnem Eis. Eine Sekretärin der Stadtkämmerei in Brandenburg hatte ihre Kollegen beschuldigt, Alkoholexzesse und sexuelle Handlungen während des Dienstes begangen zu haben. Beweise hatte sie dafür jedoch keine, weshalb ihr fristgemäß gekündigt wurde. Gegen ihre Kündigung klagte die Mitarbeiterin. Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 06.02.2017, Az. 19 Sa 322/13) urteilte, die Sekretärin habe ihre Kollegen zu Unrecht beschuldigt und dadurch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt. Die Anschuldigungen an ihre Kollegen seien zudem als Ehrverletzungen einzustufen. Wie immer sollte man also auch bei sexueller Belästigung vorsichtig sein mit unbewiesenen Vorwürfen.

Ein einvernehmlicher Flirt am Arbeitsplatz wird in der Regel nicht als sexuelle Belästigung gewertet und ist demzufolge auch nicht verboten. Wichtig ist dabei immer der Aspekt des Einverständnisses. Wenn eine der beteiligten Personen den Flirt nicht möchte, ist eine klare Grenze erreicht.

Da jeder Mensch anders auf sexuelle Belästigung reagiert und sie in sehr unterschiedlichen Formen vorkommt, gibt es keine allgemeingültigen Vorgehensweisen. Vielen Betroffenen fällt es schwer, über den Vorfall zu reden, vor allem dann, wenn der Beschuldigte in der Unternehmenshierarchie über dem Betroffenen steht und somit der Job potenziell in Gefahr ist. Sinnvoll kann es sein, einen Kollegen hinzuzuziehen. Dieser kann als Zeuge dienen und helfen, einzuschätzen, ob sich gegebenenfalls das direkte Gespräch mit dem Täter lohnt. In manchen Fällen stellt man dann vielleicht fest, dass andere änhliche Erfahrungen gesammelt haben.

Wer den Mut dazu hat, sollte den Fall seinem Vorgesetzten schildern. Denn der ist gesetzlich dazu verpflichtet, dem nachzugehen. § 12 des AGG gibt vor, dass jeder Arbeitgeber seinen Angestellten gegenüber Schutzplichten hat. Das bedeutet auch, dass er sexuelle Belästigung verhindern muss. Als Möglichkeiten, dies zu tun, nennt das Gesetz Aus- und Fortbildungen, bei denen auf die Unzulässigkeit sexueller Belästigung hingewiesen und darauf hingewirkt wird, dass sie unterbleibt. Kommt es doch zu einem Vorfall, sieht das Gesetz Maßnahmen wie Abmahnungen, Versetzungen oder Kündigung vor.

Zudem sind alle Arbeitgeber verpflichtet, eine Beschwerdestelle für betroffene Mitarbeiter einzurichten, die allen Beschäftigten bekannt gemacht wird. Gibt es keine solche Stelle, kann die Beschwerde der Personalabteilung oder dem Betriebsrat vorgetragen werden. Jeder Beschwerde muss nachgegangen werden und zudem muss der Arbeitgeber über jede Beschwerde informiert werden.

Wenn gegen Sie der Vorwurf der sexuellen Belästigung im Raum steht, sollten Sie sich um Klärung bemühen. Suchen Sie das Gespräch mit den Betroffenen, um Missverständnisse auszuräumen. Dabei sollten Zeugen anwesend sein, damit es nicht wieder zu verfänglichen Situationen kommen kann. Auch wenn Sie wegen einer sexuellen Belästigung abgemahnt wurden, sollten Sie sich um eine Entspannung des Arbeitsverhältnisses mit Ihren Kollegen bemühen. Wurde Ihnen wegen sexueller Belästigung gekündigt, so denken Sie an Ihr Arbeitszeugnis. Eine Entschuldigung bei den Beteiligten kann sich positiv auf Ihr Zeugnis und somit auch auf Ihre beruflichen Zukunftschancen auswirken.