Wann man sich als Arbeitnehmer seinem Chef mitteilen möchte, ist eine schwierige Frage. In manchen Betrieben mag ein vertrauensvoller und unterstützender Umgang möglich sein, in anderen, kann er schnell dazu führen, dass der Arbeitnehmer eher gemieden wird oder der Arbeitgeber selbst nicht weiß, wie er am besten vorzugehen hat. Wie bereits erwähnt, ist Alkoholismus eine Krankheit und darf nicht als Pflichtverletzung gewertet werden. Doch wann sollte oder muss man sich dem Arbeitgeber überhaupt anvertrauen? Es gilt prinzipiell, dass Alkoholsucht dem Arbeitgeber nicht zwingend mitgeteilt werden muss. Schwierig wird es jedoch, wenn die Sucht bereits soweit fortgeschritten ist, dass sie sich nicht mehr verbergen lässt und der Arbeitnehmer auch ohne Mitteilung auffällig ist. Vor allem wenn das Arbeitsverhältnis bereits gefährdet ist, bietet es sich dringend an, dem Arbeitgeber die Probleme anzuvertrauen. Mangels besserer Kenntnis, kann der Arbeitgeber Ihnen nämlich in diesem Fall eine Abmahnung wegen eines arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes erteilen und Sie bei wiederholtem Vorkommen sogar kündigen. Oftmals ist es daher der bessere Weg Ihrem Arbeitgeber mitzuteilen, dass Sie bereit sind Ihre Probleme anzuerkennen und eine Therapie zu beginnen.
Der Umgang mit einem alkoholkranken Mitarbeiter kann den Arbeitgeber vor eine große Herausforderung stellen. Zunächst unterliegt der Arbeitgeber der Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter. Das bedeutet, dass er Verantwortung dafür übernehmen muss, dass alle Beschäftigten im Betrieb gesund und unverletzt bleiben. Da ein alkoholkranker Mitarbeiter durchaus eine Gefahr für sich und andere darstellen kann, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Lösungen zu finden und alle Maßnahmen zur Prävention von Betriebsunfällen zu ergreifen. Lässt der Arbeitgeber seinen alkoholisierten Mitarbeiter wissentlich im Betrieb erscheinen und in selbigem arbeiten, kann er damit seine Fürsorgepflicht verletzen. In bestimmten Fällen, ist in die Fürsorgepflicht auch der Anfahrtsweg eigeschlossen. Die Berufsgenossenschaft für Energie, Textil, Elektro und Medienerzeugnisse führt an, das rund fünf Prozent aller in diesen Berufen Beschäftigten alkoholkrank sind.
Als Arbeitgeber sollten Sie unbedingt versuchen Ihrem Mitarbeiter zu helfen. Dabei müssen Sie natürlich zwischen dem Wohl des alkoholkranken Mitarbeiters und dem der anderen Beschäftigten abwägen. Es ist für Sie außerdem dringend erforderlich, dass Sie ein ordnungsgemäßes Konfliktmanagement durchführen. Wenn Sie sich unsicher über das richtige Vorgehen sind, lassen Sie sich unbedingt dabei beraten. Suchen Sie zunächst das Gespräch. Beweisen Sie dabei eine sensible Vorgehensweise und verzichten Sie auf Anschuldigungen und Verurteilungen. Sprechen Sie Ihren Mitarbeiter aber auf Ihre konkreten Beobachtungen, zu seinem möglichen Suchtverhalten, an. Außerdem sollten Sie ihn ausdrücklich auf mögliche kündigungsrechtliche Konsequenzen hinweisen, falls er keine Einsicht zeigen oder seine Sucht abstreiten sollte. Beenden Sie das Gespräch mit klaren Absprachen und Fristen. Versichern Sie Ihrem Beschäftigten zusätzlich, dass Sie seine Therapiebereitschaft schätzen und ihn unterstützen werden. Helfen Sie ihm zum Beispiel, indem sie auch bei Geburtstagen und Betriebsfeiern auf Alkohol verzichten oder im Betrieb ein generelles Alkoholverbot aussprechen.
Sozialversicherungspflichtige Angestellte haben im Krankheitsfall einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für maximal sechs Wochen. Dieser Anspruch entfällt jedoch dann, wenn die Angestellten die Krankheit selbst verschuldet haben, indem beispielsweise extrem gefährliche Sportarten ausgeübt wurden oder sie unter Alkoholeinfluss in einen Unfall verwickelt waren. Alkoholkranke bilden hier keine Ausnahme. Auch wenn diese nach einer erfolgten Therapie rückfällig werden, trifft sie im Rahmen ihrer Krankheit in der Regel keine Schuld und der Lohnanspruch bleibt für die Ausfallzeit bestehen. Nur in seltenen Fällen, kann der Arbeitgeber durch ein medizinisches Gutachten feststellen lassen, dass der Betroffene schuldhaft rückfällig geworden ist (Bundesarbeitsgericht Erfurt, Urteil vom 18.März 2015, Az.: 10 AZR 99/14).
Kündigung wegen Alkohols: Der Fall aus der Praxis
Ein Berufskraftfahrer verursachte während seiner Dienstzeit einen Auffahrunfall, bei dem ein erheblicher Sachschaden entstand und der Fahrer des vorderen Fahrzeugs leicht verletzt wurde. Die darauf folgende Alkoholkontrolle ergab einen Wert von 0.64 Promille. Die Arbeitgeberin nahm den Vorfall zum Anlass, ihrem Beschäftigten eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Ab Erhalt des Kündigungsschreibens befand sich der Berufskraftfahrer für eine Entzugsbehandlung auf der Suchtstation der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses. Die Laborwerte und auch die schwere Entzugssymptomatik bestätigten eine Suchtkrankheit des Berufskraftfahrers. Neben medikamentöser Behandlung nahm der Kläger im Anschluss an den stationären Aufenthalt an weiteren Beratungsgesprächen teil und begab sich ganztägig in ambulante Therapie, bei welcher tägliche Atemalkoholkontrollen durchgeführt wurden. Aus den genannten Maßnahmen wurde er als Fahrer arbeitsfähig entlassen. Der Berufskraftfahrer erhob daraufhin Klage beim Arbeitsgericht gegen die Kündigung seiner Arbeitgeberin, da aufgrund seiner Alkoholkrankheit kein rechtmäßiger Kündigungsgrund bestanden habe.
Kündigung wegen Alkohols: Die gerichtliche Entscheidung
Das Arbeitsgericht Berlin urteilte zunächst im Sinne der Arbeitgeberin. Auch die Alkoholerkrankung könne den Arbeitnehmer auf Grund der Schwere der Pflichtverletzung und der damit einhergehenden Gefährdung anderer, nicht entlasten, sodass die ordentliche Kündigung für sozial gerechtfertigt befunden wurde. Der Kläger ging daraufhin erfolgreich in Berufung. Das Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg gab ihm recht. Demnach sei eine Kündigung nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer voraussichtlich auch auf lange Sicht nicht in der Lage sei, seinen arbeitsrechtlichen Pflichten entsprechend nachzukommen. Die Therapiebereitschaft des Berufskraftfahrers schloss diese Möglichkeit allerdings aus. Ferner sei in diesem Fall eine Abmahnung ausreichend gewesen. Daher wurde die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, so dass das Arbeitsverhältnis weiterhin bestehen blieb. (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. August 2014, Az. 7 Sa 852/14).
Als Arbeitnehmer steht es Ihnen zu, dass Sie von Ihrem Arbeitgeber eine faire Behandlung erhalten, auch wenn Sie sich mal einen "Ausrutscher" leisten und Sie beispielsweise durch Ihren Alkoholkonsum am Arbeitsplatz, während der Pausenzeiten oder auf andere Art negativ aufgefallen sind. Wenn es sich um einen einmaligen Vorfall handelt, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber und entschuldigen Sie sich für Ihr Fehlverhalten. Möglicherweise können Sie damit eine Abmahnung oder Kündigung verhindern. Auch wenn Sie bei sich selbst ein krankhaftes Trinkverhalten feststellen, versuchen Sie sich Ihrem Chef weitestgehend anzuvertrauen und ergreifen Sie alle möglichen Maßnahmen, um der Sucht entgegenzuwirken. Ihr Arbeitgeber ist im Rahmen der Fürsorgepflicht verpflichtet, Verantwortung für Sie zu übernehmen und Sie bei Ihren Bemühungen, wie zum Beispiel einer Therapie, zu unterstützen. In der Regel darf Ihr Arbeitgeber Sie im Falle einer Alkoholkrankheit nicht einfach kündigen.