Erschlichenes Arbeitszeugnis muss zurückgegeben werden

Ein bereits ausgestelltes Arbeitszeugnis kann dann vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn es inhaltlich nicht korrekt ist und der Beschäftigte es entgegen der Grundsätze von Treu und Glauben erworben hat. Dies urteilte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein am 17. Oktober 2017 (Az: 1 Sa 228/17). Das Gericht widersprach mit seiner Entscheidung einem vorausgegangenen Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck: Sieben Monate zuvor war hier entschieden worden, dass seitens des Arbeitgebers kein Herausgabeanspruch besteht – also dass der Mitarbeiter das Zeugnis behalten kann. Welche Überlegungen lagen dem neuen Urteil zugrunde und wie können Sie sich verhalten, wenn Sie mit den Beurteilungen in Ihrem Arbeitszeugnis nicht einverstanden sind?

Ein bereits ausgestelltes Arbeitszeugnis kann dann vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn es inhaltlich nicht korrekt ist und der Beschäftigte es entgegen der Grundsätze von Treu und Glauben erworben hat. Dies urteilte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein am 17. Oktober 2017 (Az: 1 Sa 228/17). Das Gericht widersprach mit seiner Entscheidung einem vorausgegangenen Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck: Sieben Monate zuvor war hier entschieden worden, dass seitens des Arbeitgebers kein Herausgabeanspruch besteht – also dass der Mitarbeiter das Zeugnis behalten kann. Welche Überlegungen lagen dem neuen Urteil zugrunde und wie können Sie sich verhalten, wenn Sie mit den Beurteilungen in Ihrem Arbeitszeugnis nicht einverstanden sind?

Was war vorgefallen?

Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts lag folgender Fall zugrunde: Ein Hochbauingenieur war im Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis 31. Oktober 2016 bei einer Gemeinde beschäftigt. Bereits im November 2015 sprach sich die Bereichsleiterin und Vorgesetzte des Arbeitnehmers gegen eine über die vertraglich geregelte Befristung hinausgehende Beschäftigung aus. Die unzureichende Leistung des Angestellten spiegelte sich schließlich in einem am 20. Juli 2016 erhaltenen, von der Bürgermeisterin unterzeichneten und gesiegelten Zwischenzeugnis wider. Der Arbeitnehmer hatte um ein solches gebeten und sich hierbei an den vorgesehenen Dienstweg gehalten.

Nur wenige Monate später, am 28. Oktober 2016, legte der Hochbauingenieur ein von ihm selbst verfasstes Arbeitszeugnis zur Unterschrift vor. Dieses enthielt eine äußerst positive, im Vergleich zum vorherigen Zwischenzeugnis, deutlich bessere Beurteilung. Die Bürgermeisterin war an dem Tag urlaubsbedingt abwesend. Obwohl der Angestellte die übliche Vorgehensweise kannte, wandte er sich mit dem selbst verfassten Zeugnis nicht an den Leiter des Fachdienstes Allgemeine Verwaltung, welcher für die Ausstellung von Arbeitszeugnissen zuständig war und bis zur Mittagszeit anwesend war. Er bat stattdessen den stellvertretenden Bürgermeister direkt um Unterzeichnung. Dieser lehnte die Anfrage ab, weil er keine Kenntnis von der Arbeitsweise und dem genauen Tätigkeitsbereich des Hochbauingenieurs hatte. Offenbar auf dessen Vorschlag hin zog er den direkten Vorgesetzten des Angestellten zurate. Dieser bestätigte, obwohl er wegen krankheitsbedingter Abwesenheit der Gemeinde zufolge die Arbeitsleistung nicht objektiv beurteilen konnte, die inhaltliche Richtigkeit des vorgelegten Zeugnisses. Der stellvertretende Bürgermeister unterschrieb. Drei Tage später sollte der Fall in einem Gespräch geklärt werden. Der Arbeitnehmer begründete sein Vorgehen mit Dringlichkeit. Für eine Bewerbung habe er das Zeugnis dringend benötigt. Aus diesem Grund habe er sich direkt an den stellvertretenden Bürgermeister und nicht an den Leiter des Fachdienstes Allgemeine Verwaltung gewandt. Die Gemeinde wiederum ging davon aus, dass der Hochbauingenieur absichtlich den vorgesehenen Dienstweg umgangen habe, um eine bessere Beurteilung bescheinigt bekommen zu können.

Am 4. November 2016 widerrief die Gemeinde schließlich das Arbeitszeugnis und verlangte Herausgabe. Da der Hochbauingenieur das Zeugnis nicht zurückgeben wollte, ließ die Gemeinde den Streitfall vom Arbeitsgericht Lübeck entscheiden. Hier stellte man am 17. März 2017 fest, dass kein Anspruch auf Herausgabe des Dokumentes bestehe. Die Gemeinde ging daraufhin in Berufung und der Fall wurde vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein erneut geprüft. Am 17. Oktober 2017 gab das Gericht der Berufung der Klägerin statt. Der Angestellte musste das Zeugnis aushändigen und darüber hinaus die Kosten des Rechtsstreites tragen.

Die rechtlichen Hintergründe der Entscheidung

Die Funktion eines Arbeitszeugnisses

Sinn und Zweck eines Arbeitszeugnisses liegt darin, zukünftige Arbeitgeber verlässlich über erbrachte Leistungen und Arbeitsweise eines Angestellten zu informieren. Enthält es eine fehlerhafte Beurteilung, auf dessen Grundlage ein zukünftiger Arbeitgeber eine Einstellungsentscheidung trifft, kann der vorherige Arbeitgeber, welcher das Zeugnis ausgestellt hat, in Regress genommen werden. Das bedeutet, dass Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden können. Dabei handelt es sich beispielsweise um Schadensersatzansprüche. Nach einem Widerruf des Arbeitszeugnisses hat der Arbeitgeber dann also ein schutzwürdiges Interesse und kann Herausgabe verlangen. Der Zeitpunkt der Zeugnisausstellung hat darauf keinen Einfluss. Die Pflicht zur Rückgabe seitens des Arbeitnehmers folgt dabei aus der sogenannten Rücksichtnahmepflicht. Diese ist in § 241 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt.

Wann kann ein Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis widerrufen?

Im Zivilrecht ist der in § 242 BGB formulierte Grundsatz von Treu und Glauben von zentraler Bedeutung. Er liegt sämtlichen Gesetzen zugrunde und ist in der Idee begründet, dass jedes Recht sozialethischen Richtlinien folgen sollte. Im Hinblick auf die Herausgabe des Arbeitszeugnisses folgt daraus, dass ein solches vom Arbeitgeber immer dann widerrufen werden kann, wenn er erst nach dessen Ausstellung Kenntnis von Tatsachen und Umständen erlangt, welche zu einer wesentlich abweichenden Einschätzung geführt hätten. Das Zeugnis ist in solchen Fällen essentiell unrichtig, ohne dass der Arbeitgeber den Inhalt absichtlich falsch formuliert hat.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat nun entschieden, dass es einen weiteren Grund für den möglichen Widerruf von Arbeitszeugnissen gibt: Ein bereits ausgestelltes Zeugnis kann auch dann widerrufen werden, wenn die Erlangung des Zeugnisses auf unredliche Art und Weise erfolgt ist. Es besteht somit ein Herausgabeanspruch, sofern der Arbeitnehmer hinsichtlich der Ausstellung seines Arbeitszeugnisses gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen hat.

Die konkreten Entscheidungsgründe des Gerichts

Im vorliegenden Fall sind der Gemeinde als Klägerin nachträglich keine neuen Umstände bezüglich der Arbeitsleistung des Hochbauingenieurs bekannt geworden. Sowohl die Bürgermeisterin als auch der Leiter des Fachdienstes Allgemeine Verwaltung wussten über die Tätigkeit des Angestellten Bescheid.

Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Urteil aber unterschiedliche Gründe genannt, aus denen es eine Verletzung seitens des Angestellten von Treu und Glauben sieht und weshalb es eine Verurteilung zur Herausgabe des zweiten Arbeitszeugnisses entschieden hat. Es erklärte, dass der Hochbauingenieur wusste, dass die Praxis, Arbeitszeugnisse selbst zu verfassen, bei der Gemeinde nicht geduldet war. Vielmehr war er sich des vorgesehenen Dienstweges genau bewusst. Dies hat sich nicht nur darin gezeigt, dass er sich bei der Ausstellung des ersten Zwischenzeugnisses hieran gehalten hat. Der Angestellte hat seine diesbezügliche Kenntnis auch im Berufungstermin bestätigt. Daneben erkannte das Gericht außerdem keine Rechtfertigung durch Eilbedürftigkeit an, denn der Hochbauingenieur hatte bereits das vergleichsweise aktuelle Zwischenzeugnis vom 20. Juli 2016. Hinzu kommt, dass er sich problemlos – wie vorgesehen – an den Leiter des Fachdienstes Allgemeine Verwaltung hätte wenden können, denn dieser war schließlich bis zur Mittagszeit anwesend.

Nicht zuletzt gab der Angestellte offen zu, mit dem im Juli ausgestellten Zeugnis keine Chancen für sich auf dem Arbeitsmarkt gesehen zu haben. Er bezeichnete das Zwischenzeugnis als „grottenfalsch“. Das Gericht sah einen direkten Zusammenhang zwischen diesen Annahmen und dem Vorgehen des Arbeitnehmers bezüglich der Unterzeichnung des neuen Zeugnisses. Es ging davon aus, dass er absichtlich den Dienstweg umgehen wollte, weil er annehmen musste, über diesen erneut ein Zeugnis mit lediglich mäßiger Beurteilung zu erhalten. Durch das zielgerichtete Umgehen der ihm bekannten vorgesehenen Abläufe wollte er sich ein besseres, aus seiner Sicht zutreffenderes Zeugnis erschleichen. Dies bezeichnete das Gericht als unredliches und treuwidriges Verhalten, aus welchem sich ein Herausgabeanspruch begründe.

Welche Rechte und Möglichkeiten habe ich als Arbeitnehmer?

Die Unsicherheit der Arbeitnehmer

Ein Arbeitgeber hat aus unterschiedlichen Gründen das Recht, ein Arbeitszeugnis zu widerrufen – entweder, weil ihm nachträglich Tatsachen bekannt werden, die eine andere Einschätzung rechtfertigen, oder, weil sich der Arbeitnehmer bei der Zeugniserteilung treuwidrig verhalten hat. In dem Fall, den das Landesarbeitsgericht zugunsten der Gemeinde und somit des Arbeitgebers entschieden hat, betonte der Angestellte, das vorherige Zwischenzeugnis sei inhaltlich falsch gewesen. Er war mit der hier bescheinigten Beurteilung nicht einverstanden und hat seine Leistungen gänzlich anders eingeschätzt. Das Gericht erläutert in seinem Urteil auch, dass der Hochbauingenieur bereits nach Erhalt des Zwischenzeugnisses die Möglichkeit gehabt hätte, einen Antrag auf Zeugnisberichtigung bei der Gemeinde oder gegebenenfalls auch beim zuständigen Arbeitsgericht zu stellen. Der Angestellte entgegnete auf diese Anmerkung, dass der juristische Weg eines Zeugnisberechtigungsstreites für ihn nicht infrage gekommen sei, insbesondere, weil er lange Zeitverzögerungen befürchtete und die Angelegenheit aus seiner Sicht eilte.

Diese Sorge des Hochbauingenieurs ist sicherlich für viele Arbeitnehmer, die möglicherweise vergleichbare Situationen erleben oder erlebt haben, nachvollziehbar. Oft haben Angestellte weder die erforderlichen Fachkenntnisse noch Erfahrung mit dem Ablauf juristischer Auseinandersetzungen. Sie kennen ihre Möglichkeiten nicht ausreichend oder fühlen sich von der Option eines Rechtsstreites abgeschreckt. Doch welche konkreten Rechte haben Arbeitnehmer? Wie sollten Sie vorgehen, wenn es Probleme mit dem Arbeitszeugnis gibt?

Die Pflichten des Arbeitgebers

In § 109 der Gewerbeordnung ist festgelegt, dass jeder Arbeitnehmer grundsätzlich immer einen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses hat. Wer weder ein Zwischenzeugnis noch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis bekommt, sollte sich zunächst an den Arbeitgeber wenden und freundlich, aber deutlich ein Zeugnis anfordern. Sofern dies erfolglos bleibt, ist es ratsam, eine schriftliche Aufforderung zuzusenden und eine Frist für die Zusendung des Zeugnisses zu setzen. Bleibt auch das weiter unbeachtet, empfiehlt es sich, einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen. Dieser kann die Rechte des Arbeitnehmers kompetent durchsetzen – wenn nötig auch vor Gericht.

Neben der Pflicht, ein Arbeitszeugnis auszustellen, darf der Arbeitgeber zudem keine Formulierungen verwenden, die dem Angestellten schaden könnten, beispielsweise, wenn er sich bewirbt und die Einstellungsentscheidung aufgrund einer Formulierung im Arbeitszeugnis negativ ausfällt. Darüber hinaus sollten höchstpersönliche Angaben oder diskriminierende Aussagen in einem Arbeitszeugnis keinen Raum finden. Stattdessen ist es wichtig, dass die Tätigkeiten des Arbeitnehmers präzise beschrieben werden. Gibt es diesbezüglich Grund zur Beanstandung, sollte ebenfalls das direkte Gespräch gesucht werden. Oft können bereits im mündlichen Austausch Missverständnisse geklärt werden. Doch auch hier gilt: Lässt sich der Arbeitgeber auf kein Gespräch bezüglich des Zeugnisses ein, kann ein Anwalt weiterhelfen. Arbeitnehmer sollten sich nicht scheuen, sich professionelle Unterstützung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht zu suchen. Das Arbeitszeugnis ist in vielen Fällen ausschlaggebend für die berufliche Zukunft. Sich mit fehlerhaften oder unangemessenen Formulierungen abzufinden, kann fatal sein.

Wurden bei Ihrem Arbeitszeugnis formale oder inhaltliche Vorgaben missachtet? Oder verweigert Ihr Arbeitgeber sogar vollständig die Ausstellung eines Zeugnisses? Dann lassen Sie sich über unser Online-Formular zur kostenfreien Erstberatung eine Einschätzung geben. Unsere Anwälte für Arbeitsrecht unterstützen Sie gern.

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Gut zu wissen

Zwei Arten von Arbeitszeugnissen

Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Arbeitszeugnissen, nämlich dem einfachen und dem qualifizierten Arbeitszeugnis. Ersteres nennt Datum und Ort der Zeugniserstellung. Außerdem enthält es Informationen wie den Namen des Beschäftigten, seinen Arbeitsort, Beschäftigungsdauer und ausgeführte Tätigkeiten.

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis informiert darüber hinaus über die bekleidete Position und die damit verbundenen Aufgaben, es enthält eine bewertende Tätigkeitsbeschreibung und nennt gegebenenfalls Weiterbildungsmaßnahmen oder auch Initiativen des Arbeitnehmers. Wer ein qualifiziertes Arbeitszeugnis wünscht, sollte ausdrücklich ein solches anfordern.

Das können Sie bei nicht zufriedenstellender Bewertung im Zeugnis tun

Wie aber verhält es sich nun, wenn die formalen Anforderungen an ein Arbeitszeugnis erfüllt sind, der Inhalt rechtlich vertretbar ist, der Arbeitnehmer aber – wie im vorliegenden Fall – nicht einverstanden ist mit der Bewertung seiner Leistung? Wie auch in dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes erwähnt, besteht grundsätzlich die Möglichkeit eines Antrages auf Zeugnisberichtigung. Auf welcher Seite dabei die Beweislast für die Richtigkeit der Bewertung liegt, hängt von dem konkreten Inhalt des Zeugnisses ab. Enthält es mindestens eine durchschnittliche Beurteilung, muss der Arbeitnehmer bei einer Gerichtsverhandlung selbst darlegen und beweisen, dass eine bessere Bewertung gerechtfertigt ist. Liegt sie unterhalb des Durchschnitts, muss wiederum der Arbeitgeber und Aussteller des Zeugnisses die Beweislast tragen und seine Beurteilung rechtfertigen. Wer mit dem Zeugnis und der beinhalteten Bewertung nicht einverstanden ist, sollte sich an einen spezialisierten Anwalt wenden. Dieser kann in der Regel zuverlässig beurteilen, ob ein Antrag auf Zeugnisberichtigung Aussicht auf Erfolg hat.

Sind auch Sie mit dem Arbeitszeugnis, das Ihr Arbeitgeber Ihnen ausgestellt hat, nicht einverstanden? Dann nutzen Sie unsere kostenfreie Erstberatung! Füllen Sie einfach das Online-Formular aus und schildern Sie Ihren Fall. Anschließend bekommen Sie von unseren auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwälten eine Einschätzung, auf deren Grundlage Sie Ihr weiteres Vorgehen mit uns gemeinsam planen können. All das ist für Sie mit keinem Kostenrisiko verbunden.

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