Der BGH stärkt die Rechte von Reisenden

Mit dem Urteil vom 03. Juli 2018 (Az: X ZR 96/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) einer Klägerin Recht gegeben und ihren Reiseveranstalter zur Zahlung von 1.235 Euro verurteilt. Die Kosten sind der Klägerin aufgrund einer in Eigenregie durchgeführten Buchung eines Ersatzfluges entstanden, nachdem sie von der Verschiebung des Fluges erfahren hat, der ursprünglich für sie vorgesehen war. Das Problem an der Geschichte: Sie hat den Ersatzflug gebucht, ohne vorher den Reiseveranstalter um Abhilfe zu bitten. Warum der BGH ihr dennoch den Ersatz der 1.235 € zusprach und was das Urteil für Sie und Ihren Urlaub bedeuten könnte, verraten Ihnen unsere Experten. Sollten Sie vom Streik bei Ryanair betroffen sein, verraten wir Ihnen zudem auch, woran Sie auf jeden Fall denken sollten.

Mit dem Urteil vom 03. Juli 2018 (Az: X ZR 96/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) einer Klägerin Recht gegeben und ihren Reiseveranstalter zur Zahlung von 1.235 Euro verurteilt. Die Kosten sind der Klägerin aufgrund einer in Eigenregie durchgeführten Buchung eines Ersatzfluges entstanden, nachdem sie von der Verschiebung des Fluges erfahren hat, der ursprünglich für sie vorgesehen war. Das Problem an der Geschichte: Sie hat den Ersatzflug gebucht, ohne vorher den Reiseveranstalter um Abhilfe zu bitten. Warum der BGH ihr dennoch den Ersatz der 1.235 € zusprach und was das Urteil für Sie und Ihren Urlaub bedeuten könnte, verraten Ihnen unsere Experten. Sollten Sie vom Streik bei Ryanair betroffen sein, verraten wir Ihnen zudem, woran Sie hier denken sollten.

Ärger im Urlaub: Wie sollten Sie bei Mängeln reagieren?

Gehören Sie zu den Leuten, die gerne jeden Schritt selbst planen, die dabei auch beim Urlaub keine Ausnahme machen? Dann organisieren Sie Ihren Urlaub sicherlich selbst und buchen sowohl die Flüge als auch die Unterkunft und alles Weitere in Eigenregie. In solchen Fällen ist das Reisevertragsrecht grundsätzlich erstmal uninteressant für Sie. Gehören Sie hingegen zu den sogenannten Pauschalreiseurlaubern, also zu den Leuten, die sich eine Reise oder zumindest mehrere Reisedienstleistungen (z.B. Beförderung, Beherbergung, Vermietung von Kraftfahrzeugen) organisieren oder nach eigenen Wünschen zusammenstellen lassen, können Sie von den Regelungen des Reiserechts profitieren. Haben Sie beispielsweise ein Urlaubspaket bestehend aus Flug und Hotel bei einem Reiseveranstalter gebucht, treffen die §§ 651a - 651y Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wichtige Regelungen für Ihren Urlaub.

Trifft nun der unerwünschte Fall ein und Sie werden im Rahmen Ihres Urlaubs mit Reisemängeln konfrontiert, sollten Sie unbedingt richtig handeln. Wir verraten Ihnen, was das bedeutet.

Worin kann ein Reisemangel liegen?

Ein Reisemangel kann bereits darin liegen, wenn Sie zwar in einer gleichwertigen Ersatzunterkunft untergebracht werden, sich diese allerdings an einem anderen Ort befindet. Geht ein Urlaubstag drauf, weil Sie mitten im Urlaub "umziehen müssen" oder verfügt das Hotel nicht über den zugesicherten Pool, muss ebenfalls von einem Mangel gesprochen werden. Wird einem Reisenden erst zwei Stunden vor der vertraglich vereinbarten Abflugzeit mitgeteilt, dass der Flug verschoben wird – verspätet sich der Flug gar um mehr als vier Stunden – müsste auch hierbei von einem Reisemangel gesprochen werden.

Kein Reisemangel liegt laut dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 25. Februar 2013, Az.:16 U 142/12) hingegen vor, wenn jemand in der Dominikanischen Republik Opfer eines Raubüberfalls wird, in dessen Verlauf er mit einer Machete in erheblichem Umfang verletzt wird. Darin realisiert sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko; selbst dann, wenn zuvor keine Hinweisschilder vor der Nutzung des (hoteleigenen) Strandabschnitts gewarnt haben, der letztendlich Ort des Geschehens wurde.

Wie muss ich mich bei einem Reisemangel verhalten?

Liegt ein Reisemangel vor, sollten Sie unbedingt richtig reagieren und Folgendes beachten: Sie müssen Ihrem Reiseveranstalter gegenüber den Mangel unverzüglich anzeigen. Außerdem empfehlen wir, Fotos von den Mängeln zu machen, sofern dies angesichts der Art des Mangels möglich ist. Weiterhin sollten Sie Ihren Reiseveranstalter dazu auffordern, den Mangel unverzüglich zu beseitigen. Liegt ein Mangel vor, mindert sich der Reisepreis für den Zeitraum, in dem die Reise durch den Mangel beeinträchtigt war.

Wichtig: Sie müssen im Nachhinein beweisen, dass ein Reisemangel vorlag. Dokumentieren Sie die Beeinträchtigung daher möglichst sorgfältig. Auch Zeugen, die Ihre Dokumentationen bestätigen, sind hilfreich. Außerdem sollten Sie sich die Mängelanzeige durch Ihren Reiseveranstalter immer gleich schriftlich bestätigen lassen. Sofern Sie die Mängelanzeige via E-Mail durchführen, können Sie vor Absendung der E-Mail Ihre eigene E-Mail-Adresse in CC setzen.

Haben Sie Ihre Reise vor dem 01. Juli 2018 gebucht, müssen Sie etwaige Ansprüche innerhalb eines Monats nach Reiseende gegenüber dem Reiseveranstalter geltend machen. Sollten Sie dies versäumen, könnten Sie unter Umständen ausnahmsweise dennoch zu Ihrem Recht kommen. Wie das gehen soll, verraten wir Ihnen im Rahmen des weiter unten geschilderten BGH-Urteils.

Unser Tipp

Mängelanzeige ist unverzichtbar

Selbst wenn der Reiseveranstalter den Reisemangel kennt, sollten Sie den Mangel dennoch anzeigen. Zeigen Sie vorhandene Mängel nicht an, können Sie sich auch nach der Reise grundsätzlich nicht auf die Mängel berufen und etwaige Ansprüche aus diesen geltend machen.

Welche Ansprüche könnten mir zustehen?

Vor Ort möchten Sie sicherlich zunächst den vorhandenen Mangel beseitigt bekommen. Das steht Ihnen auch zu, schließlich haben Sie keine mangelhafte Reise, sondern eine mangelfreie Reise gebucht. Weiterhin könnten Sie den Reisepreis mindern wollen. Sofern der Reiseveranstalter den Mangel nicht rechtzeitig behebt, könnte es sein, dass Sie selbst Kosten auf sich genommen haben, um den Mangel zu beseitigen. Auch diese möchten Sie sicherlich gegenüber Ihrem Reiseveranstalter geltend machen. Weiterhin können Ihnen möglicherweise Schadensersatzansprüche – unter anderem ein Entschädigungsanspruch für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit – zustehen. Führt der Reisemangel zu einer erheblichen Beeinträchtigung, möchten Sie unter Umständen den Reisevertrag kündigen und bereits vorzeitig nach Hause. Fühlen Sie sich in Ihrem Urlaub mit Reisemängeln konfrontiert, helfen Ihnen spezialisierte Rechtsanwälte weiter, die Ihnen mitteilen können, ob tatsächlich ein Reisemangel vorliegt und welche rechtlichen Möglichkeiten Sie in Ihrem jeweiligen Fall haben.

Streik bei Ryanair: Woran sollte ich unbedingt denken?

Sollten Sie aufgrund eines Streiks der Fluggesellschaft erst verspätet in den Urlaub starten können, stehen Ihnen - je nach Flugstrecke und Verspätung - unter Umständen verschiedene Unterstützungsleistungen zu. Zu denken wäre hierbei an Erfrischungen, an Mahlzeiten, möglicherweise an eine Hotelunterbringung sowie an die Beförderung zwischen Flughafen und dem Ort der Unterbringung. Außerdem wird den Fluggästen angeboten, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Telexe oder Telefaxe oder E-Mails zu versenden, Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) 261/2004. Bereits ab einer Verspätung von zwei Stunden stehen Ihnen einige der soeben genannten Anprüche zu. Sollte sich Ihr Flug gar um fünf Stunden oder mehr verspäten, können Sie natürlich auch darüber nachdenken, ob Sie die Erstattung der Flugkosten verlangen.

Haben Sie eine Pauschalreise gebucht und beginnt Ihr Urlaub aufgrund eines Streiks erst verspätet, unter Umständen sogar erst mit einigen Tagen Verspätung, können Sie den Reisepreis anteilig mindern.

Welche rechtlichen Möglichkeiten Ihnen genau zur Verfügung stehen, lässt sich erst nach einer sorgfältigen Prüfung Ihres Einzelfalles sagen. Ob Sie unter Umständen sogar Schadenersatz verlangen können oder ob Sie zumindest von den oben genannten Möglichkeiten Gebrauch machen können, kann Ihnen ein Experte auf dem Gebiet des Reiserechts verraten. Sollten Sie von einer mehrstündigen Flugverspätung oder gar von einem Flugausfall betroffen sein, könnte es sich für Sie lohnen, sich diesbezüglich rechtlich beraten zu lassen.

Warum hat der BGH der Klägerin dennoch Recht gegeben?

Die Klägerin buchte bei einem Reiseveranstalter für sich, ihren Ehemann und ihre zwei Kinder eine Pauschalreise in die Türkei. Der Rückflug war für den 07. Oktober 2014 um 20:05 Uhr vorgesehen. Am Abreisetag wurde der Klägerin jedoch mitgeteilt, der Rückflug würde sich aufgrund eines technischen Problems auf 22:40 Uhr verschieben. Anstelle des eigentlichen Flugziels Frankfurt war der neue Zielflughafen Köln, wobei von dort ein Bustransfer nach Frankfurt angeboten werden sollte. Die Ankunftsverspätung betrug 6,5 Stunden. Ohne zuvor mit dem Reiseveranstalter Kontakt aufzunehmen, buchte die Klägerin einen Ersatzflug bei einer anderen Fluggesellschaft für denselben Abend. Anstatt nach Köln ging es demzufolge via Ersatzflug doch direkt nach Frankfurt. Erst am 18. Mai 2015 – und damit über sieben Monate nach ihrer Rückkehr – forderte die Klägerin den Ersatz der durch den Ersatzflug entstandenen Mehrkosten. Wie oben bereits gesehen, hat die Klägerin ihre Ansprüche somit nicht innerhalb eines Monats nach ihrer Rückkehr gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht. Außerdem hat sie direkt einen Ersatzflug gebucht und damit für Selbstabhilfe gesorgt und nicht etwa zuvor den Reiseveranstalter um Abhilfe gebeten.

Der BGH sprach der Klägerin dennoch das Geld zu.

Für Verträge, die bis zum 30. Juni 2018 geschlossen wurden, sah § 6 Abs. 2 Nr. 7 der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-Informationspflichten-Verordnung) vor, dass der Reiseveranstalter den Reisenden:

über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, sowie darüber, dass vor der Kündigung des Reisevertrags [...] dem Reiseveranstalter eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen ist, wenn nicht die Abhilfe unmöglich ist oder vom Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Kündigung des Vertrags durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt wird,

Auszug aus § 6 Abs. 2 BGB-Informationspflichten-Verordnung

zu informieren hat. Der Reisende muss demnach davon in Kenntnis gesetzt werden, dass er dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzeigen muss, sowie dass er den Reiseveranstalter eine angemessene Frist zur Abhilfe setzen muss – und nicht etwa wie im obigen Fall, für Selbstabhilfe sorgt, ohne zuvor Abhilfe vom Reiseveranstalter zu verlangen.

Dies hat der Reiseveranstalter jedoch nicht ordnungsgemäß getan. Daher durfte der Reiseveranstalter sich weder auf die fehlende Mängelanzeige noch auf die ausbleibende Fristsetzung berufen. Haben Sie einen Reisevertrag vor dem 30. Juni 2018 geschlossen und es versäumt, einen Mangel rechtzeitig anzuzeigen? Haben Sie sich nicht binnen eines Monats nach Ihrer Rückkehr an den Reiseveranstalter gewandt und Ihre Ansprüche geltend gemacht? Dann könnte das BGH-Urteil Ihre Chance sein, um doch noch zu Ihrem Recht zu gelangen.

Für Reiseverträge ab dem 01. Juli 2018 gilt zwar der oben erwähnte § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-Informationspflichten-Verordnung nicht mehr, jedoch enthält der seit dem 01. Juli 2018 gültige Art. 250 § 6 Abs. 2 Nr. 5 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) eine ähnliche Vorschrift, indem auch hiernach der Reiseveranstalter den Reisenden darauf hinweisen muss, dass dieser einen auftretenden Mangel unverzüglich anzuzeigen hat.

Gut zu wissen

Geld gibt es auch bei Flugverspätungen

Verspätet sich Ihr Flug, fällt er aus oder werden Sie schlichtweg nicht befördert, können Sie aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte-Verordnung) unter Umständen Ansprüche geltend machen, die Ihnen bis zu 600 Euro bringen könnten.