Bei einem externen Run-Off entscheidet sich der Versicherer dafür, seinen Bestand an ein Run-Off-Unternehmen abzugeben. Während der Inhaber der Verträge wechselt, bleibt der Versicherte als Vertragspartner erhalten. Bei diesem Transfer handelt es sich um den externen Run-Off, wie ihn zum Beispiel die Generali mit der Viridium-Gruppe abgeschlossen hat. Das Run-Off-Unternehmen verwaltet dann lediglich bis zum Auslaufen der Verträge die Bestände des Versicherers.
Der interne Run-Off funktioniert rein formell nach demselben Prinzip, nur dass das Versicherungsunternehmen seine Vertragsbestände nicht an einen externen Anbieter abgibt. Hier entschließt sich das Unternehmen lediglich, alle Neukundengeschäfte offiziell einzustellen. Der Bestand an bereits bestehenden Verträgen wird hingegen selbst abgewickelt.
Das vergangene Jahr kann als ein Wendepunkt für die Versicherungsbranche bezeichnet werden, als die Generali Leben mit einem Schlag knapp 90 % ihres Bestandes an Lebensversicherungen verkaufte. Das Ereignis gleicht einem Dammbruch, denn auch andere Anbieter sehen in der Abwicklung der Verträge eine Chance, die finanziellen Defizite durch die Niedrigzinsen auszugleichen.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat bereits im vergangenen Jahr 34 von 84 Lebensversicherer unter eine "intensivierten Aufsicht" gestellt, weil diese mittel- bis langfristig mit finanziellen Schwierigkeiten zu rechnen hätten. Die Abwicklung von Versicherungsbeständen wird von vielen Befürworten hier bereits als eine Branchen-Lösung vorgestellt, die Lebensversicherer langfristig entlasten könnte.
Der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GdV) sieht die Vorteile im Run-Off-Geschäft ganz klar beim Kunden. Dieser müsse sich nach Aussagen des GdV nicht mehr mit den Unsicherheiten eines großen Versicherers plagen. Ganz anders sieht das der Bund der Versicherten (BdV). Die Vertretung für Versicherte befürchtet einen Wettbewerb um die beste Rendite, bei der der Kunde die Lasten zu tragen hat. Weiterhin kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschätzt werden, wie erfolgreich Run-Off-Unternehmen wirtschaften. Weil lediglich Vertragsbestände übernommen und keine neuen Verträge geschlossen werden, müssen die Renten am Ende aus einem immer kleineren Geldtopf gezahlt werden. Wenn es sich ein Run-Off nicht mehr leisten kann, weitere Verträge aufzukaufen, droht früher oder später die Zahlungsunfähigkeit. Für den Versicherten heißt das: Den Letzten beißen die Hunde.
2017 verzeichnete die BaFin deutlich mehr Beschwerden bei den Run-Off-Unternehmen als bei den traditionellen Lebensversicherern. Die Gründe hierfür finden sich unter anderem in der digitalen Neustrukturierung. Durch technische Änderungen konnten etwa bestimmte optionale Verträge nur langsam in das neue Bestandsmanagement übertragen werden. Die schlankeren IT-Systeme werden in der Branche zwar gepriesen, dennoch müssen die dadurch eingesparten Kosten nicht dem Versicherten zugutekommen. Die Versicherungsaufsichtsbehörde erlaubt es, Run-Off-Unternehmen bis zu 50 % der so eingesparten Gelder zu behalten, um die eigene Liquidität zu gewährleisten.
Der Großteil der Beschwerden entstand jedoch aufgrund fehlender Aufklärung: Zwar werben Run-Off-Unternehmen mit einer verbesserten Organisation der Vertragsbestände, jedoch werden Kunden nicht über die Auswirkungen der langanhaltenden Niedrigzinsphase aufgeklärt. Die Verträge werden an Run-Off-Unternehmen übertragen, aber für die Betroffenen springt dabei kein finanzieller Vorteil raus. Die Zinsen bleiben gerade für jüngere Verträge weiterhin sehr gering und auch der Rückkaufswert einer Lebensversicherung kann unter Umständen genauso gering ausfallen wie bei einem traditionellen Lebensversicherer.
Der unsichtbare Elefant im Raum ist aber die Frage, wie gut Run-Off-Unternehmen für Kapitallebensversicherungen wirtschaften können. Run-Off-Unternehmen wollen die Kapitalanlage zwar effizienter gestalten, als es Lebensversicherern möglich ist, aber an den seit einem Jahrzehnt währenden Niedrigzinsen ändert das nichts.
Allein die Tatsache, dass der Versicherte nur noch über den Verkauf seiner Police informiert wird, sollte als ernsthaftes Warnsignal gesehen werden. Nach § 13 Versicherungsvertragsgesetz (VAG) muss einer Übertragung des Versicherungsbestandes lediglich von der BaFin zugestimmt werden. Die Zustimmung vom Kunden muss nicht eingeholt werden. Der Kunde wird lediglich per Post informiert, dass die einst im besten Gewissen abgeschlossene Lebensversicherung nun einem anderen Konzern untersteht.